Welche Mutter kennt das nicht? Du stehst in den Schulferien Tag für Tag am Beckenrand und beobachtest die Fortschritte deines Kindes beim Schwimmen.
Meine Tochter ist demnächst im Ziel angekommen und hat die Abzeichen brav absolviert. Der Weg ist holprig und bedingt auch immer wieder motivierende, tröstende, aufmunternde Worte um die Krokodiltränchen zu vermeiden oder auch versiegen zu lassen wenn mal wieder was nicht geklappt hat. Doch soweit so gut, sie ist ein Kind, dass schnell lernt und den Schwimmlehrern meist mit Interesse an den Lippen hängt.
Doch es kann auch ganz anders kommen.
Mein Sohn hat in diesen Herbstferien mit seiner ersten Schwimmintensivwoche begonnen. Das Krebs-Abzeichen ist das Ziel. Eine kleine überschaubare Gruppe von 4 Kindern die von der geduldigen Véronique ans Wasser gewöhnt werden sollte. Der Kurs findet im Hallenbad statt, so sind die Temperaturen konstant und der Kältefaktor eigentlich kein grosses Thema. Doch weit gefehlt.
Start Schwimmkurs
Der tägliche Kurs dauert 45 Minuten. Die Wassertemperatur beträgt 28 Grad.
Meinem Sohn dauert der Kurs zu lange und das Wasser ist ihm schlicht zu kalt. Wie er das äussert? Naja ein anderes Kind würde vielleicht vor Kälte schlottern, aus lauter Langeweile träumen oder den Kurs verweigern.
Er aber, verlässt mitten im Kurs das Schwimmbecken und stellt sich in der Garderobe mal eben unter die heisse Dusche, ehe er zum Kurs zurückkehrt. Oder macht einen Abstecher zum warm temperierten Babybecken dreht dort genüsslich eine Runde im Wasser und taucht dann mir nichts dir nichts wieder im Kurs auf. Er weiss sich zu helfen, ist schon klar, doch funktioniert dieses Verhalten in einer Gruppe nicht.
Ich will Schwimmen lernen und nicht Wasserblubbern
Wenn die Gruppe dann Wasserblubbern übt, schwimmt er inzwischen eine Runde um die Gruppe rum. Wenn ich ihn frage weshalb er nicht mitmacht wie vorgegeben, meint er ehrlich und direkt: „Mami, mir soll hier das Schwimmen beigebracht werden, blubbern kann ich auch in der Badewanne.“
Die Schwimmlehrerin bleibt geduldig und ermahnt ihn bei der Gruppe zu bleiben. Und ich, ich bleibe ab sofort während des gesamten Kurses am Beckenrand stehen um ihn abzufangen, wenn er wieder mal ausreissen will und versuche mich als Warnschild in Menschenform. Ach, komme ich mir lächerlich vor.
Am Ende des Kurses bekommt er ein Biberabzeichen und freut sich wie ein kleiner Waschbär darüber. Ich lächle zerknirscht und weiss jetzt, er ist einfach noch nicht bereit mit seinen 4 Jahren an diesem Kursmarathon teilzunehmen.
Die Bademeisterin mit den wachen Augen
Am Ende des Kurses winkt mich Ria die Bademeisterin zu sich.
„Ich habe deinen Sohn während des Wochenkurses beobachtet. Darf ich ein kleines Experiment mit ihm machen?“
Nun gut, schaden wird es bestimmt nicht.
Sie geht in die Hocke und sieht meinem Sohn klar in die Augen. Seine Aufmerksamkeit hat sie sofort. Eine Schwimmbrille in der einen und ein Tauchtier in der anderen Hand.
„Zieh diese Schwimmbrille an und dann hol mir dieses Tier auf dem Beckenboden.“
Eine klare Ansage, ein sicherer Wurf ins tiefe Gewässer und schon ist mein Kleiner nicht mehr zu halten. Ich schlottere derweil am ganzen Körper und sehe mich schon ins Becken springen um ihn zu retten.
Er taucht, schwimmt und liebt das Wasser
Der mutige junge Mann zieht sich die Schwimmbrille an, steht an den Beckenrand, springt rein und taucht auf den Beckenboden. Mit dem Schwimmtier in der Hand steht er Minuten später voller Stolz vor der Bademeisterin.
„Siehste! Er ist nicht wasserscheu, der kleine Mann will gefordert werden und zeigt dir in wenigen Minuten sein Können. Meine Prognose, der wird bis nächsten Sommer von alleine schwimmen, keine Sorge.“
Sie schenkt ihm die beiden Wasserutensilien und hört mit dem Grinsen gar nicht mehr auf. Derweil wiederholt Louis diese Übung bereits seit einer halben Stunde und ist aus dem Wasser gar nicht mehr rauszukommen.
Und plötzlich spielt die Wassertemperatur keine Rolle mehr
Alleine dieser Anschauungsunterricht würde das Abzeichen Seepferdchen locker verdienen.
„Was ist denn vorhin falsch gelaufen?“ frage ich völlig verwirrt.
„Véronique hat ihr Bestes gegeben, zweifellos. Doch in der Gruppe war er der einzige Junge, das mochte er nicht. Er wollte schwimmen lernen und an seine Grenzen gehen, derweil sich die Gruppe lediglich ans Wasser gewöhnte. Aus lauter Langeweile hat er den Unterricht gestört. Vielleicht ist er zu jung für solch lange Kurse, bestimmt aber macht er nicht mit wenn er keinen Sinn darin sieht.“
In dieser Woche habe ich sehr viel über meinen mittleren Sohn gelernt.
Und der Bademeisterin Ria aus dem Hallenbad Bolligen muss ich mit diesem Blog einfach ein Kränzchen winden. Vielen herzlichen Dank Ria!
Wow…
Was ein emotionaler Artikel!
Du sprichst mit deinen Worten genau meine Gefühle aus.
Ich kann so sehr nachvollziehen, was du vor dem Experiment (Respekt, dass du dich darauf eingelassen hast) gedacht und gefühlt hast, denn mir ging es beim ersten Mal alleine lassen im Kinderturnen ähnlich .
Ich war überfordert, weil https://beduerfnisorientiertesfamilienleben.com/2018/09/30/das-erste-mal-alleine-teil-1/
Haha, das ist wirklich eine tolle Geschichte – ich musste wirklich schmunzeln! Der junge Mann macht schon seinen Weg, da braucht man sich wohl keine Sorgen machen.
Hätte auch ich sein können, die da am Beckenrand vergeht… Bei meinem Sohn war es auch immer so – mochte er den jeweiligen Lehrer nicht oder eben, wie hier, war er in einer Mädchengruppe, war das Unterfangen von vornherein zum Scheitern verurteilt. Nun, jetzt ist er groß, beherrscht alle gängigen Sportarten gut und noch gewisse andere dazu. Augen zu und durch, lautete meine Devise…
Viel Spaß noch mit dem kleinen Mann!
Liebe Grüße,
Doris von https://diegutelaune.com
Tja, Spass werden wir wohl auch weiterhin mit ihm haben 😉
Mit seinen kreativen Ideen und seiner ungezügelten Energie haben wir alle Hände voll zu tun.
Hihihi, ich erkenne mich in dem kleinen Mann fast schon wieder – ich fand die Kurse auch nicht so spannend wie so lange und tief wie Möglich zu tauchen und den Boden zu berühren und so weiter – in der Schule musste ich dann aber Krebs & Seepferdchen doch noch absolvieren – und letztendlich habe ich über 5 Jahre dem Leistungsschwimmen gewidmet und habe es sehr geliebt =)
Ich wünsche Euch ein schönes Wochenende!
Liebe Grüsse aus Zürich,
Manu von http://www.bitesoftheworld.ch
Danke liebe Manu. Ja wenn wir ehrlich sind, braucht niemand ein Abzeichen um Schwimmen lernen zu können. Was bei einigen Kindern als Anreiz sehr gut gelingt, schreckt andere Kinder einfach nur ab. Wir hören jetzt vermehrt auf sein Bauchgefühl und schwimmen wie uns die Flügel gewachsen sind 😉
Wow, ein großes Kompliment an deinen Sohn, ich bewundere ihn total dafür, dass er sich in seinem jungen Alter schon traut, zu sagen was er denkt und er scheint ganz genau zu wissen was er möchte! Toll auch von der Bademeisterin, dass sie das erkannt hat und deinen Sohn da in seinen Bedürfnissen so ernst genommen und seine Fähigkeiten gefördert hat!
Lass dich von dem Abzeichen- Wahnsinn nicht unterkriegen. Ich selbst habe als Kind keines davon gemacht. Und wenn dein Sohn schwimmen lernen möchte, dann kann er das auch ohne irgendwelche Abzeichen !
Ein sehr schöner Beitrag! Danke, dass du damit an meinem #socialsunday teilgenommen hast! Toller Blog!
Liebe Grüße, Kay
http://www.twistheadcats.com
Ein wunderbares treffsicheres Feedback, danke liebe Kay.
Ich schwanke manchmal noch zwischen „WOW, toll wie du deine Entscheidungen aufgrund deines Bauchgefühls treffen kannst“ und „jetzt ordne dich doch bitte in die Gesellschaft ein“! Die Gesellschaft akzeptiert nun mal kein „Auf’s Bauchgefühl-hören“ und da ecken wir hie und da mal an. Im Grossen und Ganzen macht uns unser Sohn viel Freude mit seiner besonderen, wundervollen Art.